Diabetische Retinopathie

Der Diabetes mellitus verursacht eine Schädigung an kleinen Gefäßen im ganzen Körper. Unter anderem können auch Netzhautgefäße von dieser Schädigung betroffen sein. Es kommt zur Unterversorgung der Netzhaut. Dieser Unterversorgung wirken die Zellen entgegen, indem sie einen Stoff ausschütten zur Gefäßneubildung (Vascular endothelial growth factor, kurz VEGF). Das VEGF führt jedoch zur Bildung von unreifen Gefäßen, aus denen vermehrt Flüssigkeit austritt. Insgesamt kommt es dadurch zur Vernarbung und Flüssigkeitseinlagerung in der Netzhaut mit fatalen Folgen, die bis hin zur Erblindung führen können. Es ist aktuell die häufigste Erblindungsursache in westlichen Ländern bei erwerbsfähigen Personen.

Diabetische Retinopathie Kurz und Knapp

Diabetes führt zur Schädigung von Gefäßen und Sauerstoff-Unterversorgung der Netzhaut. Dies führt schlußendlich zur Flüssigkeitseinlagerung und permanenter Schädigung der Netzhaut. Es gibt einige Therapieoptionen wie zum Beispiel die Eingabe von Medikamenten in das Auge, aber die effektivste Form den Prozess aufzuhalten ist den Langzeitblutzuckerwert einzustellen.

Inhalt

  • Risikofaktoren

  • Vorkommen

  • Diagnose

  • Therapie nach Stadium

  • Komplikationen

  • Verhaltensweisen

Was sind Risikofaktoren für die diabetische Retinopathie?

Die drei wichtigsten Risikofaktoren die zur diabetischen Retinopathie führen sind:

  • Schlechte Einstellung des Langzeitblutzuckerwertes (HbA1c)

  • Dauer der Erkrankung an Diabetes Mellitus

  • Schwankungen im Blutdruck

Als weitere Risikofaktoren gelten laut Studien:

  • Pubertät

  • Oxidativer Stress

  • Genetische Prädisposition

  • Bluthochdruck

  • Übergewicht

  • Schwangerschaft

 

Wie viele Menschen leiden unter einer diabetischen Retinopathie?

Weltweit leiden fast 100 Millionen Menschen an einer diabetischen Retinopathie, wobei davon ausgegangen wird, dass sich diese Zahl innerhalb der nächsten 20 Jahre verdoppeln könnte. Etwa ¾ aller Patienten mit Typ 1 Diabetes und ¼ aller Patienten mit Typ 2 Diabetes leiden unter diabetischer Retinopathie. Ungefähr ¼ von ihnen wird eine Sehstörung durch Beteiligung der Makula (Bereich des schärfsten Sehens) haben.

 

Welche Untersuchungen sollten bei Verdacht auf eine diabetische Retinopathie durchgeführt werden?

 

  1. Blutzuckerbestimmung: Der Blutzuckerwert sollte nüchtern bei <110mg/dl sein. Ein Wert zwischen 110 und 125mg/dl wird als Prädiabetes bezeichnet und über 125mg/dl als Diabetes.

  2. Langzeitblutzuckerwert: Der HbA1c sollte unter bei gesunden unter 5,6% liegen. Ab einem Wert von 6,5% spricht man vom Diabetes.

  3. Internistische Untersuchung: Da der Diabetes Mellitus den ganzen Körper betrifft ist bei Diagnosestellung die Überweisung zur gründlichen internistischen Untersuchung notwendig.

  4. Routine Augenuntersuchung: Hierzu gehört die Erhebung der bestkorrigierten Sehschärfe, die Augendruckmessung, Untersuchung des Vorderabschnitts und des Hinterabschnitts an der Spaltlampe.

  5. OCT: Mit der optischen Kohärenztomographie (OCT) wird eine Feinschichtaufnahme der Netzhaut durchgeführt. Kleinste Flüssigkeitseinlagerung können dadurch sichtbar gemacht werden.

  6. Fluoreszenzangiographie (FLA): Mit der FLA können Gefäße an der Netzhaut dargestellt werden. Außerdem eignet es sich hervorragend zur Darstellung von undichten Gefäßen, Gefäßneubildungen und Lokalisierung von Gebieten die unzureichend versorgt werden.

 

Was ist die Therapie bei der diabetischen Retinopathie je nach Stadium?

 

Der mit Abstand wichtigste und effektivste Weg eine diabetische Retinopathie in den Griff zu bekommen, ist laut Studien den Blutzucker gut einzustellen (HbA1c <6,5%). Das erfordert Disziplin vom Patienten und gegebenenfalls die richtige Diabetes-Therapie durch den Internisten. Auch können sich weitere Erkrankungen wie ein Bluthochdruck negativ auf die diabetische Retinopathie auswirken und sollten entsprechend behandelt werden.

 

Die weiteren Behandlungsmaßnahmen hängen davon ab, in welchem Stadium der diabetischen Retinopathie sich der Patient befindet:

 

Nicht proliferative diabtische Retinopathie

Nicht proliferativ bedeutet, dass sich noch keine neuen Gefäße gebildet haben an der Netzhaut. Dies ist ein günstiges Zeichen und spricht dafür, dass die Krankheit relativ gut unter Kontrolle ist. Je nachdem wie sehr andere Zeichen der diabetischen Retinopathie vorliegen muss eine Kontrolluntersuchung beim Augenarzt alle 3-12 Monate erfolgen. Der Fokus bei der nicht proliferativen Diabetischen Retinopathie liegt ganz klar bei der Behandlung des Diabetes Mellitus selbst. Direkte Maßnahmen, die nur am Auge erfolgen, wie z.B. das Lasern der Netzhaut oder Eingabe von Medikamenten in den Glaskörperraum, werden in diesem Stadium nicht durchgeführt.

Diabetisches Makulaödem

Die Makula hat einen besonderen Stellenwert für den Menschen, da es den Bereich des schärfsten Sehens darstellt. Entsprechend nehmen wir Veränderungen an der Makula frühzeitig wahr und sie können uns in unserem Alltag stark einschränken. Kommt es durch den Diabetes zur Flüssigkeitsanlagerung im Bereich der Makula dann sprechen wir vom diabetischen Makulaödem. Dieses muss augenärztlich behandelt werden. Ist das Zentrum der Makula involviert wird ein sogenanntes Anti-VEGF Medikament (z.B. Aflibercept oder Ranibizumab) in das Auge injeziert (IVOM). Bei langanhaltenden Situationen kann auch die Eingabe von Steroidimplantaten in das Auge sinnvoll sein. Ist die Peripherie der Makula betroffen, kann eine Laserbehandlung der Netzhaut helfen.

Proliferative diabetische Retinopathie

Bei der proliferativen diabetischen Retinopathie führte die schlechte Gefäßversorgung der Netzhaut zur Initierung von Gefäßneubildungen (daher der Name „proliferativ“), aus welchen Flüssigkeit austritt und die zur Vernarbungen der Netzhaut führen können. Dieses fortgeschrittene Stadium der diabetische Retinopathie muss extensiv behandelt werden. Aktuell wird noch immer eine sogenannte „panretinale Photokoagulation“ angestrebt. Das bedeutet, dass die Peripherie der Netzhaut mittels Laserstrahlen zerstört wird. Dies senkt den Sauerstoffbedarf der Netzhaut, es kommt weniger zu Gefäßneubildungen und entsprechend kann hoffentlich die zentrale Netzhaut erhalten bleiben. In den letzten Jahren, nehmen auch hier die Anti-VEGF Medikamente eine immer wichtigere Rolle ein und werden immer häufiger auch in diesem Stadium eingesetzt.

Endstadium der Diabetischen Retinopathie

Im Endstadium kommt es zu starken Einblutung in die Netzhaut, Vernarbungen und Ablösung der Netzhaut. In dieser Situation ist zusätzlich zu den oben genannten Therapieoptionen eine Vitrektiomie notwendig. Das heißt in einer komplexen Operation muss der Glaskörper entfernt werden und alles Unternommen werden, um so gut wie möglich die zentrale Netzhaut zu erhalten.

 

Was sind mögliche Komplikationen bei der Behandlung der diabetischen Retinopathie?

 

Shukla und Tripathy haben eine schöne Übersichtsarbeit erstellt in welcher sie auch auf diesen Punkt eingehen. Insgesamt kann gesagt werden, dass jede Behandlung der diabetischen Retinopathie zu weiteren Komplikationen führen kann. Die gute Einstellung des Blutzuckers ist die wichtigste Maßnahme die unternommen werden muss – und die Maßnahme welche keine Komplikationen mit sich bringt, wenn es akkurat durchgeführt wird.

 

Zu den wichtigsten Komplikationen zählen:

 

Komplikationen bei Injektion von Medikamenten in das Auge (Anti-VEGF o. Steroide):

  • Augendruckanstieg

  • Schwere Augenentzündung (Endophthalmitis)

  • Riss der Netzhaut

  • Glaskörperblutung

  • Netzhautablösung

  • Zug auf die Netzhaut (Traktion) mit weiteren möglichen Komplikationen

 

Komplikationen bei der Laser-Behandlung:

  • Glaskörperblutung

  • Netzhautablösung

  • Gesichtsfeldverkleinerung (an den Stellen an denen gelasert wurde, kann man nichts mehr sehen)

  • Verstärkung eines Makulaödems

  • Zug auf die Netzhaut (Traktion) mit weiteren möglichen Komplikationen

 

Komplikationen bei der Vitrektomie:

  • Kataraktbildung

  • Augendruckanstieg

  • Netzhautablösung

  • Schwere Augenentzündung (Endophthalmitis)

 

Was sind sinnvolle Verhaltensregeln bei bekanntem Diabetes Mellitus?

 

Bei wenigen Krankheiten am Auge kann der Patient so einen großen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung nehmen wie bei der Diabetischen Retinopathie. Die Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt ist hier zwingend erforderlich. Vor allem die richtige Ernährung spielt hier eine entscheidende Rolle. Weitere wichtige Punkte sind:

 

  • Aufhören zu rauchen

  • Regelmäßige körperliche Aktivität (vor allem Ausdauertraining)

  • Mindestens jährliche Augenuntersuchung

 

Der wichtigste Punkt bei der Ernährung ist sicherlich auf die Kohlenhydratzufuhr und hier insbesondere Zucker zu achten. In einem Großteil der Fertigprodukte wird Zucker hinzugeben. Egal ob Ketchup, Limonade oder Tiefkühlpizza – in allen befinden sich große Mengen an Zucker. Einfach gesprochen: wer denkt die Schokoladenzufuhr zu beschränken würde reichen, um den Diabetes in Griff zu bekommen reicht aus liegt komplett falsch. Es ist gesetzlich vorgeschrieben auf Verpackungen den Anteil an Kohlenhydraten und gesondert den Zuckeranteil anzugeben. Es wird empfohlen daher beim Einkauf diese Angaben sich anzuschauen und bewusst einzukaufen. Bei einem Großteil der Nahrungsmittel gibt es mittlerweile Zuckerfreie Alternativen, welche sich geschmacklich kaum unterscheiden aber einen großen Unterschied für die Gesundheit machen. Häufig ist man sich über den Zuckeranteil nicht bewusst, daher eine kleine Übersicht von Nahrungsmitteln und deren Zuckeranteil angegeben in Zuckerwürfeln (ein Zuckerwürfel wiegt etwa 4 Gramm, dieser Wert kann je nach Sorte natürlich unterschiedlich sein):

  • 100gr Gummibärchen: 19 Zuckerwürfel 

  • 0,3l Limonade: 10 Zuckerwürfel

  • 500gr Frühstückscerealen: 50 Zuckerwürfel

  • 0,5l Ketchup: 40 Zuckerwürfel

  • 1 Hamburgerbrötchen: 5 Zuckerwürfel

Es wird schnell ersichtlich, dass eine Menge Zucker in Lebensmitteln steckt mit denen man nicht unbedingt direkt Zucker assoziiert. Außer die Zuckereinnahme zu beschränken wurde in Studien folgende Ernährungseinstellungen als günstig bei der diabetischen Retinopathie deklariert (hierzu gibt es eine schöne Übersichtsarbeit):

 

Balaststoffreiche Ernährung

  • Balaststoffreiche Ernährung beschleunigt die Darmpassage von Nahrungsmitteln und zeigte, dass es die Zuckeraufnahme reduziert, zu geringerer Insulinausschüttung führt und systemische Entzündungsreaktionen reduziert.

  • Vorhanden in: Vollkornreichen Lebensmitteln, Gemüse, Bohnen, Pilzen, Erbsen

Proteinreiche Ernährung

  • Proteinreiche Ernährung hatte keinen unmittelbaren Einfluss auf den Status der diabetischen Retinopathie aber es reduzierte hyperglycämische Phasen und reduzierte den Medikamentenbedarf gegen Diabetes Mellitus

  • Vorhanden in: Fisch, Geflügel, Soja

Aminosäure Taurin

  • Taurin befindet sich in großen Mengen in der Netzhaut. Es konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Taurin die Gefäßstruktur in der Netzhaut stabilisiert und die Ausschüttung von VEGF, welches für die schädliche Gefäßneubildung verantwortlich ist, reduzierte.

  • Vorhanden in: Fisch, Schalentieren, Milchprodukten

HDL (high-density-lipoprotein)

  • Im körper gibt es verschiedene Lipoproteine, welche Cholesterin transportieren. LDL zum Beispiel erhöht das Risiko für Gefäßschädigung und steigert das Risiko für einen Herzinfarkt. Auf der anderen Seite wirkt HDL aber schützend.

  • HDL wird gesteigert durch essen von: Oliven, Sojabohnen, Fisch, Mandeln, Avocado

Alpha-Liponsäure

  • Alpha-Liponsäure ist eine schwefelhaltige Fettsäure und spielt eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und ein Antioxidant. Es verhindert die Ansammlung von oxidativ veränderter DNA und reduziert die VEGF Bildung in der Netzhaut.

  • Vorhanden in: Spinat, Brokkoli, Tomaten

Ungesättigte Fettsäuren

  • Ungesättigte Fettsäuren können nachweislich die Entstehung und Progression der diabetischen Retinopathien stoppen.

  • Vorhanden in: Olivenöl, Wallnüssen, Fisch

Vitamin A

  • Vitamin A wird für retinales Zellwachstum. Ein Mangel kann zur Krankhaften Proliferation in der diabetischen Retinopathie führen.

  • Vorhanden in: Karotten, Gemüse, Kürbis, Fisch, Papaya

Vitamin B

  • Vitamin B6 schützt für Zelltod der Gefäßumgebenden Zellen, Vitamin B7 verbessert die Aufnahme von Zucker in die Muskelatur, Vitamin B9 und B12 reduzieren das Risiko für Gefäßschädigung durch Homocystein.

  • Vorhanden in: Spinat (B6), Avocado (B6, B7, B9), Fisch (B6, B12), Erbsen (B7), Linsen (B7), Gemüse (B9), Sojamilch (B12)

Vitamin D

  • Vitamin D reduziert die Gefäßneubildung und die Bildung von VEGF.

  • Vorhanden in: Fisch, Pilze, Mandelmilch

Vitamin E

  • Vitamin E fängt freie Radikale in der Netzhaut ein und trägt damit dazu bei, dass die Krankheit langsamer voran schreitet.

  • Vorhanden in: Gemse, Mandeln, Fisch

Beta-Carotin

  • Beta-Carotin hat antioxidative Eigenschaft und schützt somit die Netzhaut vor freien Radikalen.

  • Vorhanden in: Karotten, Gemüse

Bioflavonoide

  • Bioflavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe und wirken als Antioxidanz in der Netzhaut.

  • Vorhanden in: Beeren, Kirschen, Zitrusfrüchte

Zink

  • Zink schützt vor Zelluntergang, reduziert die Neubildung von VEGF und das Austreten von Flüssigkeit in die Netzhaut bei der diabetischen Retinopathie.

  • Vorhanden in: Spinat, Bohnen, Pilzen

Chrom

  • Ein Chrom-Mangel führt zu gesteigerten Blutzuckerwerten und erhöht das Risiko der diabetischen Retinopathie:

  • Vorhanden in: Brokkoli, Bohnen

Selenium

  • Selenium gehört zu den wichtigsten nicht-enzymatischen Antioxanten des Körpers. Es reduziert die VEGF Bildung und schützt Netzhautzellen vor dem Untergang.

  • Vorhanden in: Pilzen, Brokkoli, Spinat, Fisch

Magensium

  • Ein Magensiummangel ist nachweislich ein Risikofaktor für die Entstehung der diabetischen Retinopathie.

  • Vorhanden in: Gemüse, Kürbis, Bohnen

Eisen

  • Die Behandlung eines Eisenmangels führte zur Verbesserung der Gefäßstruktur in der Netzhaut, reduzierte Blutungen und den Sauerstoffmangel in der Netzhaut.

  • Vorhanden in: Kürbis, Gemüse, Bohnen, Linsen,

Natrium

  • Die Natriumaufnahme sollte reduziert (!) werden. Es führte nachweislich zur Flüssigkeitseinlagerung in der Netzhaut.

  • Vorhanden in: gesalzenen Produktien (Chips, Nüsse, etc.), Pommes, Dosengemüse